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Stolz

Gauland will also stolz sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen. In seiner Rede dazu beginnt er beim Stauferkaiser und geht über die Goethezeit dahin. Ich heiße zwar Schiller aber ein angeheirateter Vorfahr Johann Wolfgang Textor ist glaube ich der Großvater von Goethe. Mein Urgrossvater hat da mal einen ganzen Stammbaum erstellt, das war noch vor den Nazis und ich bin sozusagen ein biodeutsches Gewächs. Ein so urdeutsches biodeutsches Gewächs, dass der Bruder meiner Großmutter, seine Professur an der LMU quasi der NSdAP verdankt. Mein Großvater war Jurist und ebenso in der NSdAP sogar in einer Reiterstaffel der SS. Er hat sein Engagement mit dem Leben an der Weichsel in der sechsten Armee bezahlt. Mein Großvater mütterlicherseits war kein Nazi, aber er wurde ebenso eingezogen und fiel ebenso an der Ostfront – soviel zu dem zweiten Weltkrieg. Aber auch der erste Weltkrieg hat Blutzoll in der Familie gefordert. Tante Emma Schiller heiratete einen Strohm und wenn ich mich nicht irre sind im ersten Weltkrieg aus diese Familie sieben oder acht Vettern gefallen. Das war ein so einschneidendes Ereignis, dass sich bis zu meiner Generation fortpflanzte und immer noch lebendig erzählt wurde, wobei sich die Zahl der Gefallenen im ersten Weltkrieg nicht auf die Strohms beschränkt, sondern auch Theodor Kübel und andere Vorfahren in dem Krieg gefallen sind.

Ich bin nicht stolz auf die Familienleistung mit ihrem Blutzoll. Heute ist übrigens Elisabeth Cranach vor 372 Jahren gestorben. Wer das war? Die Frau von Polycarp Leyser und Tochter von Lucas Cranach dem Jüngeren. Das weiß ich daher, weil mir phpgedview die Geburts- und Todestage von Verwandten anzeigt und ich gerade nachgeschaut habe. Es gibt da viele Verwandte, die einiges zur deutschen Kultur beigetragen haben. Die Bandbreite geht von Mathematikern wie Daniel Christian Ludolph Lehmus über die erste Ärztin Deutschlands Emilie Lehmus, die Schiller-Apotheke in Rothenburg ob der Tauber, heißt nach einem meiner Vorfahren und ettliche Pfarrer und Dekane zähle ich zu meinen Verwandten. Wenn ich auf etwas stolz sein sollte, dann vielleicht auf die Cranacher Maler, aber außer dass es Vorfahren sind, was hätte ich damit zu tun?`Selbst wenn der derzeitige EKD-Vorsitzende ein Verwandter ist, dann ist das nicht meine Leistung.

Warum lege ich das hier offen und warum erzähle ich das? Weil sich mir bei der Rede von Gauland der Magen umgedreht hat und ich bin mir ziemlich sicher Goethe hätte sich auch der Magen umgedreht. Er missbraucht meine verstorbenen Ahnen. Er hat kein Recht auf deren Leistung stolz zu sein.